Rechtsanwaltskanzlei Bosdorf

Fahrerlaubnisrecht

Fahrverbot bei mehreren einfachen Verkehrsverstößen rechtmäßig

Das OLG Hamm hat am 17.09.15 zum Aktenzeichen 1 RBs 138/15 rechtskräftig entschieden, dass auch ein Kraftfahrer, welcher eigentlich "nur" einfache Verkehrsverstöße begangen hatte, mit einem Fahrverbot belegt werden kann. Der Fahrer hatte binnen 3 Jahren drei Handyverstöße und zwei kleinere Geschwindigkeitsverstöße begangen, die jeweils entsprechend des Bußgeldkataloges mit angemessenen Erhöhungen der Regelsätze geahndet wurden. Beim letzten Verstoß erkannte das Gericht dann auf eine "beharrliche" Verletzung bestehender Verkehrsvorschriften, aufgrund der wiederholten Verstöße, weshalb es diesem an der im Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehle. Da allen Verstößen ein gewissen Gefährdungsptential für Dritte zukam, sei zur weiteren Einwirkung ein Fahrverbot zu verhängen und angemessen.

 

Verbot des Fahrradfahrens für alkoholisierten Radler!

 

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in einer Entscheidung vom 17.08.12 - 10 A 10284/12.OVG - einem Fahrradfahrer die Befugnis entzogen, weiterhin mit einem Fahrrad am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen.

Der mit 2,44 Promille Blutalkohol aufgefallene Radler war in großen Schlangenlinien unterwegs und konnte nicht mehr selbständig vom Rad absteigen. Der Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen, kam er nicht fristgerecht nach, so dass ihm dann untersagt wurde, ein Fahrrad im Straßenverkehr zu führen. Die hohe Alkoholisierung bei der Tat und die durch regelmäßigen (und übermässigen) Genuß von Alkohol bedingte Gewöhnung des Körpers an denselben, lasse den Rückschluss zu, dass der Betroffene für eine Teilnahme am Straßenverkehr auch mit nichtmotorisierten Fahrzeugen nicht geeignet sei. So stelle er auch als Rad-/Mofafahrer eine Gefahr für andere Fahrzeuge da, die ggf. aufgrund seines unberechenbaren Fahrverhaltens ausweichen müssten und dadurch die Unfallgefahr steige.

Kompetente (fach-)anwaltliche Vertretung macht also nicht nur bei motorisierter Teilnahme am Straßenverkehr Sinn, sondern immer wenn Alkohol und/oder Betäubungsmittel/Medikamente eine Rolle spielen könnten.

 

Fahrerlaubnisentzug bei Gewaltstraftaten ohne Straßenverkehrsbezug!

 

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in seinem Urteil vom 12.09.12 zum Aktenzeichen 7 L 896/12 einem mehrfachen Gewaltstraftäter die Fahrerlaubnis entzogen, obwohl seine aktuellen Straftaten nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Der mehrfach wegen Gewaltdelikten (u.a. gefährliche Körperverletzung) vorbestrafte 20-Jährige, stand erneut wegen mehrerer ähnlicher Delikte vor Gericht, wobei diese Verfahren noch nicht abgeschlossen waren. Dennoch entzog ihm das VG Gelsenkirchen die Fahrerlaubnis, da daran deutlich werde, dass der Beschuldigte ein erhebliches Gewaltpotential aufweise, welches insbesondere in Gruppensituationen und bei alkoholisierter Enthemmung zu Tage trete. Auch das angeblich absolvierte Anti-Gewalt-Training zeige daher - so das Gericht - augenscheinlich keine Auswirkungen, weshalb im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen sei. Dies sogar, obwohl der Beschuldigte bisher im Straßenverkehr noch nie auffällig geworden ist.

Auch wenn diese Entscheidung durchaus fragwürdig erscheint, gehen doch Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte zunehmend dazu über, die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs den Interessen des Einzelnen gegenüber vorzuziehen. Aktuell wird vom Gesetzgeber erneut diskutiert, ob nicht durch einen Gesetzesänderung generell die Möglichkeit bestehen sollte, neben der Geld- und ggf. Freiheitsstrafe auch die Fahrerlaubnisentziehung als "Strafe" einzuführen, selbst wenn keinerlei Bezug zum Straßenverkehr besteht.

Es sollten daher dringend von Anfang an die richtigen Weichen gestellt werden, um nicht während des laufenden Strafverfahrens zusätzlich noch mit einer Entziehung der Fahrerlaubnis kämpfen zu müssen. Dies kann Existenzbedrohend sein.

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Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis bei gelegentlichem Cannabiskonsum?

 

Das OVG Lüneburg hat - wie bereits diverse Gerichte vorher - nunmehr ebenfalls per Beschluss vom 28.11.16 - 12 ME 180/16 - entschieden, dass auch bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum die Möglichkeit besteht, dem Konsumierenden die Fahrerlaubnis zu entziehen. Hintergrund hierfür ist die Vermutung, dass der Konsumierende nicht sicher zwischen seinem (gelegentlichen) Konsum und der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unterscheiden kann und damit eine Gefahr für sich und den Verkehr darstellt. Auch wenn die Strafverfolgungsbehörden neben dem ohnehin straflosen Konsum von Cannabis, in der Regel auch bei Besitz kleinerer Mengen desselben ein Auge zudrücken und denjenigen nicht verfolgen, kann die Fahrerlaubnisbehörde ihrerseits separate Massnahmen gegen den Konsumenten treffen. Hierbei sind schon kleinste unbedachte Äußerungen im Zusammenhang mit allgemeinen Verkehrskontrollen äußerst gefährlich, können diese doch den Verdacht erwecken, es liege gelegentlicher Konsum und damit zusammen hängende Verkehrsteilnahme vor.

Es ist daher jedem am Kraftfahrzeugverkehr Teilnehmenden dringend zu raten, grundsätzlich keinerlei Angaben zu eigenem (vorliegenden) Cannabiskonsumverhalten zu machen und statt dessen zunächst komplett zu schweigen und anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nur so können ggf. die teilweise existenzbedrohenden Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung oder anderer behördlicher Massnahmen vermieden werden.

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Strafrecht

Richtige Strafzumessung für Schwarzfahrer!

Das OLG Naumburg hatte eine Entscheidung (Beschl. v. 12.03.12 - 2 Ss 157/11 -) zur Höhe der Bestrafung bei wiederholtem Schwarzfahren getroffen.

Der Täter ist - unstreitig - ca. 20 Mal ohne gültigen Fahrausweis gefahren, vornehmlich im Regional- und S-Bahn-Bereich. Wegen anderweitiger Delikte - teilweise ebenfalls Schwarzfahrten - ist er bereits früher mehrfach zu Geldstrafen verurteilt worden und auch zu einer laufenden Bewährungsstrafe. Nunmehr erkannte das Amtsgericht und später das Landgericht auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von immerhin 9 Monaten, was vom Oberlandesgericht jedoch zunächst wieder aufgehoben wurde.

Hintergrund hierfür ist zum Einen, dass bei der Strafhöhe, primär der nicht entrichtete Fahrpreis zu berücksichtigen ist, nicht jedoch der von der Bahn angegebene "Realschaden", welcher auch eine Vertragsstrafe (ähnlich der Fangprämie bei Ladendiebstahlsdelikten) enthielt. Zudem sei die Höhe der Strafzumessung nicht korrekt erfolgt. Es wurde für jede der 20 Taten eine Einsatzstrafe von 1 Monat Freiheitsstrafe verhängt und diese 20 x 1 Monat, im Wege der Gesamtstrafenbildung, auf 9 Monate zusammengezogen. Dies bemängelt das OLG, da die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bei einem erstmalig in Haft kommenden Täter nur dann in Betracht kommt, wenn diese "unerläßlich" ist. Da die erstmalige Hafterfahrung in der Regel sehr prägend ist, bedarf es nachhaltiger Überlegungen und Begründungen, bei Delikten im Begatellbereich eine solche Strafe zu verhängen.

Zudem beanstandete das Oberlandesgericht, dass eine Verdreifachung der ursprünglichen Einsatzstrafe - bei Delikten im untersten Bereich der Strafbarkeit - in der Regel nicht angemessen ist. Die Strafhöhe wird daher von einer anderen Strafkammer des Landgericht nunmehr neu festgesetzt.

Die Entscheidung zeigt, dass selbst Bagatellkriminalität teilweise drakonisch geahndet wird, es empfiehlt sich, frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Voraussetzungen einer Kollektivbeleidigung von Polizisten (A.C.A.B.)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 16.01.17 - 1 BvR 1593/16 - einer Verfassungsbeschwerde statt gegeben, das zu Grunde liegende Strafurteil aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung an das Landgericht zurück verwiesen. Ein Fußballfan hatte sich seine Weste u.a. mit einem Aufnäher verschönert, auf welchem "A.C.A.B." zu lesen war. Diese Buchstabenkombination ist die Abkürzung für die englischen Worte "all cops are bastards", also "Alle Polizisten sind Bastarde". Mit dieser Weste begab er sich dann ins Stadion, wurde jedoch am Eingang von der dort befindlichen Security und den unterstützenden Polizeikräften in Uniform, aufgehalten. Die Polizisten fühlten sich durch die allgemein bekannte und offen in ihrem Beisein zur Schau getragene Abkürzung beleidigt und erstatteten Anzeige. die verurteilenden Entscheidungen von Amts- und Landgericht hob das Bundesverfassungsgericht nunmehr zunächst auf und begründete dies mit dem Recht auf allgemeine Meinungsäußerung, welches vorliegend in dieser Situation Vorrang genieße.

Wer jetzt allerdings davon ausgeht, er könne bei jeder Gelegenheit und ggf. auch persönlich gegenüber jeglichem Polizisten diese Abkürzung tragen oder anderweitig verwenden, irrt. Nur die ganz konkrete Abwägung der Umstände des o.g. Einzelfalles, hat das Verfassungsgericht dazu veranlasst, das Urteil aufzuheben, da wesentliche Erwägungen im Zusammenhang mit der Abwägung der Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und dem Recht der Polizisten, nicht beleidigt zu werden andererseits, durch die Vorinstanzen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Diese müssen sich nun erneut damit beschäftigen, ggf. eine vertiefte Beweisaufnahme durchführen und könnten dann durchaus erneut zu einer Verurteilung kommen. Das könnte vor allem dann der Fall sein, wenn festgestellt wird, dass sich der Beschuldigte mit seiner Weste gezielt in die Nähe der Polizisten begeben habe, um diese durch den Aufnäher zu beleidigen und insbesondere aus der anonymen Personengruppe aller (weltweit) vorhandenen Polizisten soweit heraus zu nehmen, dass diese dadurch als hinreichend individualisierte Gruppe überhaupt "beleidigungsfähig" im Sinne des Gesetzes werden.

Es bleibt abzuwarten, wie diese Verfahren ausgeht, generell gilt jedoch, dass das Tragen eines solchen Aufnähers mit dieser oder ähnlicher Aussage strafrechtlich höchst gefährlich bleibt. In jedem Falle zeigt die Entscheidung, wie schwierig selbst scheinbar einfache Rechtsfragen sein könne, fachkundige anwaltliche Hilfe ist daher dringend zu empfehlen.

 

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